Der alte Stuttgarter Bahnhof Ende des 19. Jahrhunderts. Hier traf 'Abdu'l-Bahá am 1. April 1913 in Deutschland ein.
Während Seiner beiden Besuche in Stuttgart (1. bis 9. April und 25. April bis 1. Mai 1913) wohnte 'Abdu'l-Bahá im Hotel Marquardt am zentralen Schlossplatz (rechts im Bild). Hier empfing Er Besucher und hielt zahlreiche Unterredungen.
Das Wohnhaus der Familie Schwarz in Stuttgart, das einige Male die Ehre eines Besuches 'Abdu'l-Bahás hatte. Dieses Haus diente sowohl als Sitz des Nationalen Geistigen Rates, der nationalen Archive und des Bahá’í-Verlages als auch bis 1937 als Zentrum der Stuttgarter Bahá’í-Gemeinde.
Das ehemalige Bürgermuseum in Stuttgart, in dem 'Abdu'l-Bahá am 3. April, sowie am 25. April zur Öffentlichkeit sprach.
Der norwegische königliche Konsul Albert Schwarz (1871-1931) war einer der frühen Bahá’í Gläubigen in Stuttgart. Er begleitete 'Abdu'l-Bahá bei vielen Anlässen und stellte für Fahrten sein Auto zur Verfügung. Neben seinen beruflichen Tätigkeiten als Kommerzienrat, Inhaber eines Bankhauses, Unternehmensgründer und Förderer von Künstlern sowie sozialen Organisationen, war er seit der Gründung bis zu seinem Tode Mitglied und Vorsitzender des Nationalen Geistigen Rates.
Alice Schwarz-Solivio (1875-1965) erhielt von 'Abdu'l-Bahá den Namen Táhíríh. Während 'Abdu'l-Bahás Aufenthalt in Stuttgart hatte sie die Ehre Ihn jeden Tag zu begleiten und auch auf vielen Autofahrten neben Ihm zu sitzen. Sie diente lange Zeit als Sekretärin des ersten Nationalen Geistigen Rates von Deutschland und gründete die Bahá'í-Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ (1921) , dessen Titel 'Abdu'l-Bahá in einem Sendschreiben bestimmt hatte.
Konsul Schwarz stellte 'Abdu'l-Bahá ein Auto zur Verfügung. Vermutlich am späten Vormittag wurde eine Fahrt zur Solitude gemacht, einem im Rokokostil erbauten Lustschloss, westlich von Stuttgart. An dieser Fahrt nahmen außer Konsul Schwarz auch die Sekretäre 'Abdu'l-Bahás teil. 'Abdu'l-Bahá lobte den wundervoll angelegten Wildpark und erfreut sich an der herrlichen landschaftlichen Lage des Schlosses.
Am Nachmittag dieses Tages kam 'Abdu'l-Bahá zu einem Kinderfest, das die Bahá’í Freunde in Esslingen im damaligen Museum organisiert hatten. Hier wurde Er von vielen, festlich gekleideten Kindern empfangen. Der Saal, indem 'Abdu'l-Bahá 1913 sprach, ist originalgetreu erhalten. In den Räumlichkeiten befindet sich heute eine Gaststätte.
Am Nachmittag des 5. April 1913 besuchte 'Abdu'l-Bahá, auf Einladung von Frau Schwarz die Wilhelma, ein im maurischen Stil erbautes Schloss.
Als 'Abdu'l-Bahá auf eine kleine Anhöhe stieg, von wo man einen herrlichen Blick auf Stuttgart und das Neckartal hatte, sagte Er: „Stuttgart wird sich noch sehr ausdehnen und entwickeln.”
Um in das Hauptgebäude zu gelangen, mussten Eintrittskarten gelöst werden, was versehentlich am Eingang zur Wilhelma unterlassen worden war. Der Parkwächter öffnete aber mit einer tiefen Verbeugung die Tore, als sich 'Abdu'l-Bahá dem Hauptgebäude näherte. Im Gebäude erklärte Er die Aufteilung der in rein orientalischem Stil gehaltenen Räume und die Bedeutung der orientalischen Sinnsprüche über den Eingängen zu den einzelnen Räumen.
In Gesellschaft von rund 100 Freunden, besuchte 'Abdu'l-Bahá an diesem Tag die stattliche Villa Wagenburg in Stuttgart (im 2. Weltkrieg zerstört).
Auch Friedrich und Annemarie Schweizer waren unter den Gästen der Villa Wagenburg. Er (Friedrich Schweizer) hatte schon früher den Wunsch geäußert, 'Abdu'l-Bahá möge sein Heim in Zuffenhausen besuchen. Nun eröffnete ihm Ahmad Sohrab, sein Wunsch sei erfüllt, 'Abdu'l-Bahá wolle gleich nach Zuffenhausen kommen. Voller Freude fuhr Schweizer mit Fräulein Theurer und Fräulein Ziegler per Straßenbahn nach Zuffenhausen, um seiner Frau die freudige Botschaft zu überbringen. Kaum waren sie angekommen, da fuhr auch schon das Auto mit 'Abdu'l-Bahá, Ahmad Sohráb und Konsul Schwarz vor. Der Besuch dauerte 15 bis 20 Minuten, es wurde Tee getrunken und Gebäck gereicht, und zwar Schnecken- nudeln. Die Tasse, aus der 'Abdu'l-Bahá getrunken hatte, hat Frau Marie Schweizer aufbewahrt.
Am Abend des 6. April sprach 'Abdu'l-Bahá im Oberen Museum in Stuttgart zu der Öffentlichkeit über die Einheit der menschlichen Gesellschaft. Das Gebäude wurde im 2. Weltkrieg zerstört.
Nachdem 'Abdu'l-Bahá einige Zeit lang im Garten spazieren gegangen war, wünschte Er, dass Ihm von verschiedenen Obstbäumen und einem Mandelbaum bei günstiger Gelegenheit Ableger nach Haifa geschickt werden sollten, die Er in Seinem Garten okkulieren lassen wollte.
Frau Schweizer hat ihr Haus mit allem Inventar dem Nationalen Geistigen Rat der Bahá'í in Deutschland vererbt. Nachdem 'Abdu'l-Bahá noch einige Fotos gezeigt worden waren, sagte Er zum Abschied: „Gott möge dieses Haus im Namen Bahá'u'lláhs segnen. In jedes Haus kommt der höchste Segen, wenn darin Bahá'u'lláhs Name genannt wird. Die himmlischen Segnungen werden herabströmen. Das himmlische Licht wird ausstrahlen. Der Hauch des Heiligen Geistes wird davon ausgehen. Deshalb hoffe ich, dass dieses Haus gesegnet sei. Bahá'u'lláhs Name möge darin erwähnt, Seine Lehren von diesem Haus aus verbreitet werden. Dies ist meine Hoffnung."
„Dies ist ein herrlicher Ort, die Atmosphäre hat eine äußerst günstige Wirkung auf Kranke. Die Umgebung ist lieblich und tut dem Auge gut.” Diese Worte sprach 'Abdu'l-Bahá am 7. April in Bad Mergentheim, als Er dort das Kurhaus und den Kurpark besuchte. Im Gedenken an Seinen Besuch errichteten die Stuttgarter und Esslinger Freunde 1916 einen Gedenkstein.
Am nächsten Morgen ging 'Abdu'l-Bahá nach dem Frühstück, begleitet von den Freunden, im Park des Bades spazieren. In der Lindenallee am Bahndamm entlang trillerte eine Nachtigall in vielen Variationen so hell und jauchzend ihr Lied, dass 'Abdu'l-Bahá stehen blieb, lauschte und sagte: „Seit dem ich Persien verlassen habe, hörte ich nie mehr eine Nachtigall singen, wie wundervoll!“
Am Tag darauf reiste 'Abdu'l-Bahá im Zug über Wien nach Budapest und verweilt dort bis Er Ende April nach Deutschland zurückkehrte.
Eintrag 'Abdu'l-Bahás ins Gästebuch von Bad Mergentheim.
Zeitungsauschnitt aus der Tageszeitung „Stuttgarter Neues Tagblatt" vom 24. April 1913.
„'Abdu'l-Bahá. Ein würdevoller betagter Greis mit langem weißen Bart, mit hoher Stirn und mit den scharf geschnittenen edlen Zügen eines vornehmen Orientalen, wie man sich etwa einen Abraham oder - man verzeihe die Zusammenstellung - einen Hafis denkt, so saß 'Abdu'l-Bahá, gebeugt von der Last Seiner 70 Jahre und den Strapazen einer eben zurückgelegten längeren Reise, gestern abend in einem Fauteuil im Bürgermuseum, und ließ eine kurze Ansprache an die zahlreichen Zuhörer durch Seinen Dolmetscher verdeutlichen. Es war zunächst zweifelhaft gewesen, ob Er persönlich erscheinen könne, deshalb erzählte einer Seiner Anhänger aus Stuttgart von dem „Meister" und Seinen Zielen, bis Er unerwartet selber kam."
Ansicht von Bebenhausen um 1912.
Konsul Schwarz war bemüht, eine Begegnung zwischen dem König Wilhelm II. von Württemberg und 'Abdu'l-Bahá zu ermöglichen, die jedoch schließlich aufgrund einer vorverlegten Reise des Königs nicht stattfinden konnte. Auf Vorschlag des Ehepaar Schwarz besuchte 'Abdu'l-Bahá das königliche Jagdschloss Bebenhausen bei Tübingen, welches auch ein ehemaliges Ziesterzienserkloster beherbergte und ein beliebter Aufenthaltsort des Königs war. Nachdem der Meister mit viel Interesse die Räume des ehemaligen Klosters besucht hatte, schrieb Er auf persisch in das Gästebuch: „Der Königliche Hof ist öde, weil ich das Angesicht des Königs nicht sehen kann; die grüne Wiese ist wie abgemäht, da sie nicht geschmückt ist mit der herrlichen Gestalt der Königin.”
Beilage zum Staats-Anzeiger für Württemberg, 30.4. 1913.
'Abdu'l-Bahá verließ Stuttgart am 1. Mai 1913. Viele Freunde hatten sich zum Abschied im Hotel Marquardt eingefunden. Er verabschiedete sich von jedem Einzelnen und sprach abschließend folgende tröstende Worte:
„Ich liebe euch sehr. Zeit und Raum bedeuten für uns keine Trennung. Wenn ich auch im Osten sein werde, werden mein Herz und meine Seele doch bei euch sein. Ich werde eure geistigen Wahrnehmungen und Empfindungen spüren. Jedes Mal wenn ich gute Nachricht von euch empfange, werde ich sehr glücklich sein. Seid versichert, dass ich euch nie vergessen werde.”
'Abdu'l-Bahá mit Freunden bei der Villa Wagenburg am 6. April 1913